Feuchtgebiete

© Majestic Filmverleih Carla Juri in Feuchtgebiete

© Majestic Filmverleih Carla Juri in Feuchtgebiete

Dass ich Charlotte Roches Roman Feuchtgebiete gelesen hab, ist schon ein bisschen her. Er ist auch nicht sonderlich hängengeblieben. Hauptsächlich erinnere ich mich daran, dass die Hauptfigur Helen mit ihrer Muschi über die Klobrillen öffentlicher Toiletten reibt, um auch ja alle Bakterien in sich aufzunehmen. Wie im Buch werden einem auch im Film verschiedene solcher Ekligkeiten vor die Augen geknallt. Eigentlich finde ich das ganz gut.

Wir haben ja alle von unseren Mamas gelernt, dass man sich nicht auf öffentliche Toiletten setzt, weil da fürchterlich viele Bakterien und Keime darauf warten, sich unseres Körpers zu bemächtigen. Helens Mama war jedoch eine regelrechte Hygienefanatikerin und diese Erziehung ist irgendwann ins Gegenteil umgekippt. Und das ist doch meistens so, dass die Kinder die Extreme ihrer Eltern entweder nacheifern oder sich total gegenteilig verhalten. Helen hat einen Knacks, das ist klar, aber sie versucht, sich so gut wie möglich durchs Leben zu balancieren.

Der Film hat übrigens die FSK 16 bekommen, was auch gut ist, denn es werden Drogen genommen, Gemüse wird zur Selbstbefriedigung missbraucht, es werden erigierte Schwänze gezeigt, die noch dazu auf eine Spinatpizza abwichsen und ja, man sieht sogar den Moment, wo das Sperma rausspritzt, Helen geht ins Bordell, um dort mal Sex mit einer Frau auszuprobieren, sie fasst sich zwischen die Beine, um sich selbst zu schmecken und testet auch gern das Sperma ihrer Liebhaber. Das sind jetzt aber nicht die ekligen Sachen gewesen, die ich meinte. Wirklich eklig finde ich eigentlich nur, dass hier zwei Mädchen gebrauchte Tampons tauschen, noch dazu Helens selbstgebasteltes Konstrukt, das mittels Grillzange entfernt wird, und dass Helen die blutig-eitrigen Reste ihrer Anal-OP im Krankenhaus verteilt. Und das mit der Klobrille auch. Ja, Helen ist extrem und sie und der Film (und natürlich auch der Roman) wollen provozieren.

Ich bin selbst überrascht, dass ich den Film trotzdem mag. Vielleicht deshalb, weil hier jemand mal nicht gefällig sein will. Und weil die Provokation sinnvoll ist, um Helen zu charakterisieren. Ich wiederhole mich, aber Helen hat einen Knacks und es wird im Verlauf des Films auch erklärt, warum sie den hat. Nur ein kleines Beispiel: In einer Rückblende wacht Helen als kleines Kind nachts auf, weil ihr die Mutter mit einer Nagelschere die Wimpern schneidet. Das träumst du nur, schlaf weiter, sagt die nur.

Allerdings hat Helen ein Problem, nämlich dass sie Schwierigkeiten hat Lüge, Traum und Erinnerung immer genau auseinanderzuhalten. Deswegen kann man nicht allen Sachen trauen, die sie erzählt. Aber eigentlich ist das doch egal, denn für sie ist es ja trotzdem real.

Ich finde auch nicht, dass man hier darüber diskutieren muss, ob ein Mädchen wirklich so sein kann wie Helen und dass das doch total übertrieben ist. Das ist doch gar nicht der Punkt und vermutlich sollten mehr Mädchen so sein wie sie. Mich überzeugt die Figur Helen und ich kann verstehen, warum sie so ist wie sie ist. Als Umsetzung einer literarischen Vorlage gibt es an dem Film überhaupt nichts auszusetzen. Und sonst eigentlich auch nicht. Ich finde Carla Juri als Helen großartig, denn wenn Helen einem nicht sympathisch wäre, würde der Film nicht funktionieren. Und das ist der Unterschied zum Roman, dass Helen hier zu einer eigenen Person wird, denn im Buch hatte ich immer Charlotte Roche vor Augen.

Ab dem 22. August könnt ihr euch dann im Kino eure eigene Meinung bilden. Hier mal der Link zum Trailer:

PS: Verzeiht mir die anschauliche Sprache, das musste sein.

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